Schritte in die richtige Richtung

Fast könnte man meinen, die Politik hätte die Themen aufgegriffen, über die ich in vielen meiner Blogs geschrieben hatte. Wir reden von KI, 5G und der Digitalisierung in Schulen.

Zur KI: Im letzten Wahlkampf hatten CDU und SPD mit markanten Worten einen Masterplan für Künstliche Intelligenz gefordert – den nur die wenigsten wirklich ernst genommen hatten. Etwas konkreter wurde es diesen Sommer mit der Ankündigung einer immer noch vagen „Strategie Künstliche Intelligenz“ und dem Ziel, ein „weltweit führendes Niveau“ zu erreichen. Ende des Jahres hat die Bundesregierung nun ihre nationale KI-Strategie vorgestellt. Wer hätte das gedacht, keine eineinhalb Jahre nach dem Wahlkampfversprechen?

Natürlich steht Deutschland unter Zugzwang, das weiß auch Frau Merkel, der als Naturwissenschaftlerin das Thema IT nie so wirklich geheuer war. Noch vor fünf Jahren erklärte sie ihrem Gast Obama: „Das Internet ist für uns alle Neuland“, das hat für viel Gelächter gesorgt. Auf dem zwölften Digital-Gipfel, der gerade in Nürnberg stattfand, meinte sie zur KI: „Wir befinden uns alle in einer Sphäre, in der wir uns noch nicht so gut auskennen.“ Aha. Dann wird es aber Zeit, uns schleunigst Wissen anzueignen, schließlich kennen sich die Marktführer USA und China schon seit vielen Jahren ziemlich gut aus, investieren dutzende Milliarden Dollar in KI und sind auf diesem Gebiet so gut wie uneinholbar geworden. Die drei Milliarden Euro, die die Regierung bis 2025 in KI investieren will, muten eher wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein an. Aber vielleicht hilft ja auch der schicke englischsprachige Claim „Artificial Intelligence (AI) made in Germany“, den man tatsächlich zum weltweit anerkannten Gütesiegel entwickeln will.

Ironie bei Seite: Anerkennend will ich hinzufügen, dass das neue KI-Strategiepapier auf viele Themen eingeht, etwa die Stärkung der Forschung, den Transfer in die Wirtschaft (großes, wichtiges Thema!) oder die Schaffung von Standards; sie scheut auch nicht die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen, und das ist gut so.

Zu erwähnen ist auch, dass die EU-Kommission nur drei Tage nach dem Nürnberger Digital-Gipfel einen koordinierten Plan vorgestellt hat, mit dem KI europaweit gefördert werden soll. Hier spricht man über eine ganz andere finanzielle Hausnummer, nämlich Investments von 20 Milliarden Euro bis 2020, und weitere 20 Milliarden bis 2030. Das ist eine Größenordnung, mit dem die EU den Vorsprung zu den USA und China durchaus verkürzen kann. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn es steht viel auf dem Spiel. Ich darf nochmal Frau Merkel zitieren: „(KI) muss eine Erfolgsgeschichte werden wie die soziale Marktwirtschaft es auch war: Wohlstand für alle. Das muss auch die Zukunftsmelodie sein im Zeitalter der Digitalisierung.“ Kann ich voll und ganz unterschreiben.

Kommen wir zum Mobilfunk. Die gute Neuigkeit: die Bundesnetzagentur hat den Weg frei gemacht für 5G, also für das Zulassungsverfahren zur 5G-Frequenzauktion im nächsten Frühjahr. Nachdem bereits Kanzleramtschef Helge Braun den flächendeckenden Ausbau in Frage gestellt hatte („Unfassbar teuer“) und nun auch Bundes-Forschungsministerin Anja Karliczek der Meinung ist: „5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig“, sehen die Versorgungsauflagen für die Industrie immerhin „die Abdeckung von 98 Prozent der Haushalte je Bundesland mit mindestens 100 Mbit/s“ vor; Bis Ende 2022 soll auch jeder Autobahnkilometer mit dieser Bandbreite versorgt werden. Der Industrie schmeckt das natürlich überhaupt nicht. Auf dem Digital-Gipfel hatte Telekom-Chef Tim Höttges gleich einen netten Vergleich parat: „Ich bin für Privatjets für alle (…), bei denen keiner die Frage stellt, wie’s geht“, so abstrus erscheinen ihm die Regierungsauflagen.

Die Unionsfraktion traut dem Braten allerdings selber auch nicht ganz: “ Wir sehen (…) weiterhin die Gefahr, dass (…) ein Mobilfunkflickenteppich entsteht“, wie der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ulrich Lange kundgibt.

Das hört sich alles etwas wirr an. Richtig chaotisch sieht es aber bei der Bildung aus. Gemeinsam mit FDP und Grünen hat die große Koalition einen Kompromiss gefunden, um die Digitalisierung von Schulen voranzutreiben. Weil Bildung eigentlich Ländersache ist und das Grundgesetz dem Bund nicht erlaubt, in die Bildungshoheit der Länder einzugreifen, ist eine Grundgesetzänderung notwendig. Nur so kann der Bund die Länder und Kommunen im Rahmen des DigitalPakts Schule mitfinanzieren. Fünf Milliarden sind zunächst geplant, damit Schulen Notebooks und Tablets anschaffen und eine vernünftige WLAN-Infrastruktur aufbauen.

Das wäre schon mal ein Schritt in die richtige Richtung – wäre, denn man mag es glauben oder nicht, die Länder sträuben sich. Sie wollen „keine Einheitsschulpolitik aus Berlin“, so etwa der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Grundgesetzänderung haben die Länder zunächst einmal gestoppt, sie streben ein Vermittlungsverfahren an. Die Förderung der Digitalisierung an Schulen kann sich damit um Monate verschieben.

Unabhängig davon: es geht im Grunde gar nicht so sehr um den Gebrauch moderner Hardware, sondern vielmehr um Lerninhalte. Ein Pflichtfach „Informatik“ oder „Programmierung“ gehört auf jeden Fall dazu, auch schon in kleinsten Klassen, sonst bleiben die Schüler am Ende trotz schicker Tablets digital unmündig. Um es zurückhaltend zu formulieren: Der künftigen Arbeitswelt ist das nicht dienlich (und natürlich muss auch die Lehrerschaft qualifiziert werden, betont der DigitalPakt Schule). Großbritannien macht es übrigens richtig: dort steht das Fach „Computing“ bereits ab der Grundschule auf dem Lehrplan.

Meine Blogpassagen zu Breitbandausbau habt ihr leider geflissentlich überlesen, liebe Politiker. Hier passiert so gut wie nichts, und Breitband bleibt deshalb in Deutschland ein Trauerspiel. Der Traum der „Gigabit-Gesellschaft“ ist damit voerst ausgeträumt.

Immer wieder hat die Politik digitale Ziele versprochen, aber wohl selbst nicht ganz ernst genommen, Wahlkampf und vielleicht auch eine gewisse digitale Bildungsferne der Politik lassen grüßen. Dabei geht es nicht um Digitalisierung per se, sondern darum, was Digitalisierung ermöglicht: Wettbewerbsfähigkeit und damit Wohlstand – letztlich die Kernkompetenzen der Politik. Bei KI geht es jetzt hoffentlich vorwärts, und bei 5G sieht es auch nicht ganz schlecht aus, immerhin. Wenn ihr jetzt noch den Breitbandausbau vernünftig angeht und das Bildungschaos auf die Reihe kriegt, bin ich zufrieden.

About the Author: Dinko Eror

Dinko Eror is Senior Vice President and Managing Director of Dell EMC Germany. He is responsible for the strategic alignment of Dell EMC as a provider of Digital Transformation solutions and services and for promoting Dell EMC’s growth in Germany. Dinko has more than 25 years of professional experience in the IT industry and has been working for EMC for eight years. Until the end of 2015, he was Vice President of EMC Global Services for the EMEA region. In this role, Dinko oversaw EMC’s consulting and technology professional services as well as its award-winning customer support organizations, helping clients drive business value through IT innovation. Previously, Dinko lead EMC’s presales organization in EMEA. From 2009 until 2013, he was Director Technology Solutions and Senior Director Global Services at EMC in Germany. Prior to joining EMC, Dinko held several management positions with Hewlett-Packard. Most recently he was Head of Data Centre Organization North, Central and Eastern Europe at HP. Dinko is passionate about how technology is disrupting and revolutionizing business strategies – particularly through the enabling power of the software-defined enterprise. He is named amongst the world’s top 25 Cloud Influencers.